Müßiggang – Einfach mal vom Gas gehen? (Teil 1 von 2)

Müßiggang

In diesem Artikel lesen Sie:

  • warum wir verlernt haben, Müßiggang zu leben
  • warum Müßiggang teilweise mit negativen Assoziationen verbunden ist
  • was Müßiggang eigentlich ist
  • warum er für das Wohlbefinden des Menschen so wichtig ist

Die Errungenschaft der heutigen Gesellschaft: Smarte Ziele, Messbarkeit, Kennzahlen und Output-Orientierung. Manch einer, der in der Spirale der Arbeitsverdichtung und Beschleunigung steckt, mag sich fragen, ob uns die Fähigkeit zu Müßiggang und Entspannung bereits verloren gegangen ist. Eine Wirtschaftszeitung schrieb neulich auf der Titelseite: „Mein Haus, mein Auto, mein Burn Out – Und wie erfolgreich leben Sie?“

Wann ist „mehr“ genug? Ist nicht derjenige König, der bis zum Umfallen schuftet? Volker Kitz, Jurist, Redner und Autor, spricht in seinem Buch Die 365-Tage-Freiheit von der „Stressdarstellergesellschaft“: Das Hamsterrad läuft und läuft, im Zweifel bis zur Belastungsgrenze. Ständige Erreichbarkeit, Dauerbelastung und Stress führen bestenfalls zu Sehnsucht nach mehr Freiraum. Ist der Freiraum dann doch plötzlich da, fällt der Umgang damit bisweilen schwer. Wie war das noch im letzten Urlaub? Der Übergang zum Abschalten hat ein paar Tage gedauert?

Der Alltag: Ein ständiger Optimierungswahn

Darüber hinaus müssen wir uns die Frage gefallen lassen, wie wir eigentlich entspannen. Oder ob wir uns in unserem Versuch der Freizeitgestaltung sogar noch zusätzlich belasten. Die schiere Unendlichkeit der Möglichkeiten ist verlockend und schafft neue Abhängigkeiten. Der Umgang mit der Freizeit endet häufig in dem Versuch unsere To Dos durch immer ausgefeiltere Apps zu managen, nur um damit in immer kürzerer Zeit noch mehr leisten oder erleben zu können. Wenn der „Optimierungswahn“ den eigenen Alltag kontrolliert und freie Stellen im Kalender eher als Problem empfunden werden, dann ist die Zeit zum Innehalten gekommen.

Die Arbeit: Aufopferung und Überstunden

Zu häufig kommt das Bewusstsein für die eigene Betriebsamkeit leider erst ins Spiel, wenn Burn Out oder Depressionen da sind. Die DAK-Studie „Psychoreport 2015“ berichtet von einer Zunahme psychischer Erkrankungen. Psychische Leiden, insbesondere Depressionen und Angststörungen, weisen eine enorme Steigerungsrate auf und stehen mittlerweile auf Platz 2 der Arbeitsunfähigkeitsstatistik.

Gemäß dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung haben die Deutschen in 2014 über 1 Mrd. Überstunden geleistet. Die Mehrheit davon sogar unbezahlt. Auch 2015 und 2106 bewegen sich auf diesem Niveau. Und wie war das noch mit dem Home Office: Steht nicht der, der im Home Office ist, unter dem „Generalverdacht des Nichts-Tuns“?

Müßiggang: Oft negativ belegt

Oftmals hat der Begriff Müßiggang bei uns eine historisch bedingte negative Intonation. Im Duden finden sich unter den Synonymen für Müßiggang ‚Faulenzerei‘, ‚Arbeitsscheu‘ und ‚Untätigkeit‘. In unserem kulturellem Gedächtnis halten sich zusätzlich hartnäckig Aussagen wie: „Müßiggang ist aller Laster Anfang“ oder „Der Müßiggang bringt Schand’ und Not, der Fleiß hingegen Ehr und Brot.“ (Deutsches Sprichwort) Um Müßiggang leben zu können, müssen wir von dieser negativen Belegung bewusst Abstand nehmen.

Müßiggang ist notwendige Auszeit

Diese negative Belegung hat nicht immer existiert: Müßiggang war je nach Epoche sogar mehr oder weniger Teil des Lebensstils. Muße und die Dauer der Muße lassen somit Rückschlüsse auf die Kultur der jeweiligen Epoche zu. Das folgende Zitat verdeutlicht die Anschauung in der Antike: „Der ist kein freier Mensch, der sich nicht auch einmal dem Nichtstun hingeben kann.“ (Marcus Tullius Cicero, römischer Staatsmann, 106 bis 43 v. Chr.)

Muße und Müßiggang – Was ist das nun eigentlich?

  • Müßiggang = notwendige Auszeit zur Erholung
  • Muße = vergnügliche, schöpferische Aktivität

Hinter Müßiggang steckt also eine bewusste und zielgerichtete Entscheidung für eine „kreative Auszeit“. Damit grenzt sich die Bedeutung des Müßiggangs deutlich von unserer „mein Smartphone ist ständig auf Empfang“-Haltung ab.

Müßiggang ist nicht gleich Langeweile

Im Gegensatz dazu wird Müßiggang aber häufig auch mit Langeweile gleichgesetzt. Mit Langeweile verbinden wir eher Trübsinn, vergleichbar mit einem kühlen Regentag, an dem man gezwungen ist, innen zu bleiben, während man sich nach der Natur und wärmenden Sonnenstrahlen sehnt. Diese Assoziation mit „geistigem Leerlauf“ weckt womöglich Ängste. Gemeint ist damit jedoch vielmehr eine aktive Zerstreuung und Entspannung, die den Grundstein für neue Gedanken legt. Wer kennt nicht die verblüffende Wirkung, die ein Spaziergang haben kann, wenn es darum geht, ein Problem zu lösen oder sich aus einer festgefahrenen Situation zu befreien? Müßiggang ist daher ein Experimentierfeld für den Geist. Er ist gleichzusetzen mit Zeit für das, was man eigentlich will. Zeit, um Neues zu entdecken.

Ende Juli erscheint Teil 2 dieses Artikels. Darin erfahren Sie, warum Müßiggang kreative Prozesse in Gang setzt, was Achtsamkeit mit Müßiggang zu tun hat, warum Sie Auszeiten in Ihren Alltag integrieren sollten und welche Texte über Müßiggang ebenfalls lesenswert sind.

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