Konflikte im Führungsalltag: Wie Lösungsorientierung helfen kann!

Wenn etwas nicht funktioniert, suchen Sie nach den Ursachen? Höchstwahrscheinlich ist es so, denn so haben wir es gelernt. In menschlichen Belangen kommt man manchmal mit einem alternativen Denkmodell allerdings weiter.

Alltag im Leben einer Führungskraft: Ihren neuen Mitarbeiter finden Sie richtig gut. Er könnte ein Leistungsträger Ihrer Abteilung sein, da sind Sie sich sicher. Zu Ihrem Bedauern gibt er sich mit 80 Prozent seiner Leistungsfähigkeit zufrieden.

Sie entschließen sich, ihm einen Anreiz zu setzen. In einem gemeinsamen Gespräch verabreden Sie neue, anspruchsvollere Ziele. In vergleichbaren Fällen haben Sie gute Erfahrungen damit gemacht, den Ehrgeiz zu wecken.

Drei Monate später stellen Sie fest: Nichts hat sich geändert. Nun ist guter Rat teuer: Wollen Sie die Ziele weiter erhöhen – oder was ist die richtige Lösung?

Grenzen des Ursache-Wirkungs-Denken

Traditionell ist es in der westlichen Welt üblich, in Ursache-Wirkungs-Beziehungen zu denken. Wenn etwas nicht funktioniert, suchen wir die fehlerhaften Stellen im System und beheben sie. Haben wir alles richtig gemacht haben, läuft das System wieder. Dieses Denken in Ursache-Wirkungs-Beziehungen hat in der Naturwissenschaft und der Technik zu großartigen Erfolgen geführt.

Wenn es um Menschen geht, geraten wir an Grenzen: Ihr Mitarbeiter leistet weniger als er könnte – was genau ist der Fehler? Mag sein, dass er sich langweilt. Genauso gut möglich ist, dass er zur Zeit in der Familie stark belastet ist oder keinen Draht zu seinen Kollegen findet und von wichtigen Informationen abgeschnitten ist.

Sie merken schon: Wenn es um das Menschliche geht, können Sie sich bei der Ursachenforschung heillos verstricken. Genau das passiert täglich in unseren Abteilungen.

Wenn etwas nicht funktioniert, versuchen die Mitarbeiter eine Lösung. Bis dahin ist alles in Ordnung. Falls die Lösung aber nicht verfängt und zugleich die Überzeugung besteht, dass es nur den einen Lösungsweg gibt, wird es schwierig:

  • Jetzt nämlich verwenden die Beteiligten viel Zeit und Energie auf die Problembeschreibung. Sie glauben, dass sich die Lösung schon zeigt, wenn das Problem ausreichend genau beschrieben ist. Zugleich finden sie zahlreichen Begründungen, was das Problem so schwierig macht.
  • Menschen mögen es, ihre Meinung bestätigt zu sehen. Deshalb neigen sie dazu, denselben Lösungsansatz wieder und wieder aufzunehmen. Dem geneigten Zuhörer erklären sie wortreich, weshalb etwas nicht geht.
  • Manchmal entsteht sogar eine Gruppendynamik von der Art, dass das Team gemeinsam in die Opferrolle geht. Die Teammitglieder bestätigen sich gegenseitig in der gemeinsamen Hoffnungslosigkeit.
  • Die Gedanken des Teams kreisen um das Problem. Der Außenstehende wartet noch immer auf die Lösung!
  • Manche Mitarbeiter waren von dem Problem bis hierher gar nicht betroffen. Sie kamen gut mit der Situation und ihrer Arbeit zurecht. Die intensiven Diskussionen verändern ihren Blick und wecken ein Problembewusstsein. Bisher Unbeteiligte beginnen, ihr Verhalten zu ändern.

Der lösungsorientierte Ansatz – ein alternatives Denkmodell

Der lösungsorientierte Ansatz will der ausufernden Ursachenforschung Grenzen setzen. Anders als im Ursache-Wirkungs-Denken stellt er nicht das Verständnis des Problems in den Mittelpunkt, sondern das Verständnis der Lösung. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf den erwünschten Zustand in der Zukunft: Was soll anders werden und was fehlt dazu? Mit welchen Mitteln können die Beteiligten arbeiten? Der Fokus richtet sich auf die Ziele, Wünsche und Ressourcen.

Weiter geht der lösungsorientierte Ansatz davon aus, dass in jedem System etwas gut funktioniert. Systeme sind niemals zu 100 Prozent funktionsuntüchtig. Die Suche gilt diesem Etwas, das das System bisher trotz allem voran gebracht hat – sie gilt der positiven Ausnahme.

Im Mittelpunkt steht die Frage, ob es einen Zeitpunkt gab, an dem sich das Problem noch nicht zeigte und was damals anders war. Auf dieser Basis entwickeln die Beteiligten einen Lösungsweg.

Der theoretische Hintergrund des lösungsorientierten Ansatzes liegt im konstruktivistischen Weltbild der Lernpsychologie. Demnach ist das menschliche Erleben und Lernen Konstruktionsprozessen unterworfen. Etwas vereinfacht können Sie sagen: Wie der Mensch seine Umwelt erlebt und was er lernt, hängt wesentlich von ihm selbst und seinen Erfahrungen ab. Ähnlich wie das Erleben und Lernen ist auch die richtige Lösung etwas Individuelles: Ein Weg funktioniert für den einen gut, für den anderen ist er unpassend.

Einer der Grundgedanken des Coachings ist, dass die Menschen kompetent und in der Lage sind, ihr Leben und dessen Hürden zu meistern. Manchmal verfangen sie sich in gedanklichen Schleifen und finden nicht mehr heraus. Aufgabe eines Coachs oder einer coachenden Führungskraft ist es dann, den Coachee mit geeigneten Fragen aus der gedanklichen Schleife herauszuführen. Bildlich gesprochen heißt das: Wenn ein Klient bisher drei Räume seines Hauses gut kannte und blind den Weg dahin fand, dann führt ihn der Coach in weitere Räume des großen Hauses, die dem Klienten bis zu diesem Zeitpunkt oder in dem jeweiligen Kontext nicht zugänglich waren.

Ein Coaching beinhaltet eine Umdeutung, die dem Coachee helfen kann, die Situation anders zu sehen und sich daraus folgend anders zu verhalten, wenn die Ursachenanalyse und der daraus folgende Lösungsansatz nicht gefruchtet hat. Mit dieser Idee im Hinterkopf lassen sich Lösungen konstruieren – ja, erfinden. Anders als es in der subjektiven Wahrnehmung oft scheint, gibt es immer mehr als eine Lösung.

Erprobt in der Praxis seit über 20 Jahren

Ursprung des lösungsorientierten Ansatzes ist die Gesprächstherapie. Der Sozialwissenschaftler Steve de Shazer und seine Frau, die Sozialarbeiterin Insoo Kim Berg, haben ihn in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts in Milwaukee, USA, begründet. Beide wollten sich nicht mehr auf die Schwächen und Defizite der Menschen konzentrieren, sondern auf ihre Ressourcen und Stärken. Der lösungsorientierte Ansatz geht von einem positiven Menschenbild aus und stellt ein kommunikatives Instrumentarium für die praktische Arbeit zur Verfügung.

De Shazar sagte darüber: „Dem Klienten geht es wie einem unzufriedenen Schriftsteller, dem der Schluss seines Kapitels, an dem er gerade arbeitet, nicht gefällt. Er bittet seinen Lektor um Rat, der gibt ihm Unterschiedliche Schlüsse zur Wahl. Der Autor kann entscheiden, ob und welchen der Vorschläge er für brauchbar befindet.“

In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass sich der lösungsorientierte Ansatz erfolgreich in Beratung, Coaching, Supervision, Organisationsentwicklung und Management umgesetzt umsetzen lässt. Auf internationalen Veranstaltungen tauschen sich seine Verfechter über ihre Erfahrungen in der Praxis aus und entwickeln den Gedanken weiter. Inzwischen können sich Coachs und Führungskräfte sogar zertifizieren lassen. Auch in Deutschland findet der Ansatz zunehmend Anhänger.

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