Mobbing – Mehr als nur “auf den Arm nehmen” (Teil1)

Macht durch Mobbing oder warum Kooperation doch erfolgreicher ist (Teil 1 von 2)

Unter Kollegen oder in Teams können kleine „Frotzeleien“ im Sinne eines sich gegenseitigen „auf den Arm nehmen“ Teil der Teamkultur oder auch ein Gemeinschaft stiftendes Ritual sein. Die Grenze zur Diskriminierung, Demütigung und Mobbing ist jedoch fließend. Werden die Sticheleien zu viel, können sie sich schnell negativ auf das Arbeitsklima auswirken. In diesem Blogbeitrag berichte ich Ihnen über einen Betroffenen, den ich vor Kurzem zum Thema Mobbing beraten habe.

Erfolgen Diskriminierungen gezielt und über einen längeren Zeitraum, so spricht man von Mobbing. Das Bundesarbeitsgericht definiert Mobbing als das “systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte”. Weitläufig hat sich der Begriff „Bossing“ etabliert, wenn der Vorgesetzte Urheber solcher Schikanen ist. „Echtes“ Mobbing ist dabei vom „empfundenen“ Mobbing zu unterscheiden, das zum Beispiel oft dann auftritt, wenn eine Führungskraft aufgrund langjähriger Zusammenarbeit anders mit den einer bestimmten Gruppe von Mitarbeitern umgeht.

Die Häufigkeit echter Mobbingfälle überrascht, zumal sie sich in den letzten Jahren wenig verändert hat. Der Mobbingreport der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin aus dem Jahre 2002 nennt eine Betroffenheitsrate von 11,3 Prozent. Im Fairness-Barometer aus dem Jahre 2009 gaben immerhin 13 Prozent der Befragten an, von unfairen Attacken betroffen gewesen zu sein. Neuere Studien schließen auch das Thema Cyber-Mobbing mit ein und sprechen von noch höheren Betroffenheitsraten.

Mobbing: Ein Beispiel aus der Praxis

Einen solchen Fall habe ich vor kurzem in meinem eigenen Umfeld erlebt. Ein Mitarbeiter eines DAX-Konzerns wurde von einer Führungskraft über einen Zeitraum von etwa einem Jahr schlichtweg ignoriert. Dies äußerte sich zum Beispiel in Form von der Verweigerung eines Begrüßungshandschlags, dem vorbeigehen am Ende von Sitzungen bis hin zum Nichtbeantworten von beruflichen E-Mails. Die Situation war dabei nicht immer so: Alles fing mit zunächst scheinbar belanglosen Meinungsverschiedenheiten in bestimmten Sachfragen an. Diese wurden jedoch nie in einem vernünftigen Rahmen besprochen und dadurch ausgeräumt, sondern ganz im Gegenteil: Die unausgesprochenen Konflikte stauten sich unterschwellig immer mehr auf. Lediglich in Meetings, in denen auch Dritte anwesend waren, teilte die Führungskraft mit anklagendem Tonfall in Richtung des Mitarbeiters Andeutungen aus. Ein deutlicher Fall von Bossing, dem der Mitarbeiter relativ ohnmächtig gegenüberstand.

Für den Betroffenen kam die Entwicklung dieser Situation völlig überraschend. Er konnte zunächst kaum glauben, was sich da vor seinen Augen abspielte. Ein solches Verhalten eines Vorgesetzten erschien dem Mitarbeiter nicht nur völlig unlogisch sondern auch unvereinbar mit seiner Erwartung an Fairness, Zusammenarbeit und gegenseitigem Dialog. Anstatt sich sofort gegen die Sticheleien zur Wehr zu setzen, verfiel er deshalb in eine passive Beobachterrolle. Erst später versuchte er in mehreren Anläufen, seinen Vorgesetzten zu einem Gespräch bzw. einer Lösung der Situation zu bewegen. Ohne Erfolg. Schleichend stellte sich Hilflosigkeit bis hin zu Resignation ein; sehr früh konnten auch psychosomatische Symptome wie Erschöpfungszustände und Schlafprobleme beobachtet werden, die im Verdacht auf einen Zusammenhang mit den Ereignissen standen.

Mut zur professionellen Hilfe

Als der Mitarbeiter schließlich Bandscheibenprobleme erlitt, wurde ihm klar, dass die Probleme im wahrsten Sinne des Wortes direkt „auf seinem Rücken“ ausgetragen wurden. Er entschied sich zu einer bewussten Auseinandersetzung mit den Ereignissen und vor allem mit seiner eigenen Wahrnehmung der Situation. Wie viele andere Betroffene hatte er die Schuld überwiegend bei sich gesucht.

Schon nach wenigen Beratungsgesprächen zeigte sich eine Besserung: Alleine die Möglichkeit, sich aussprechen zu können, hatte eine Veränderung im Empfinden, Denken und Handeln des Mitarbeiters hervorgerufen. Es gelang ihm, seine Sichtweise von „ich bin schuld“ zu revidieren und eine größere emotionale Distanz zu erreichen. Durch seine veränderte Wahrnehmung änderte sich sein innerlicher Umgang mit der Situation, wodurch er die Angriffe seines Vorgesetzten besser verarbeiten und nicht mehr so dicht an sich heranlassen konnte. In der Folgezeit wurden außerdem seine gesundheitlichen Probleme weniger.

Kommunikation als Hilfsmittel

Das obige Beispiel zeigt, dass Coaching wertvolle Hilfe leisten kann, wenn es darum geht, mit schwierigen Situationen umgehen zu müssen. Für den betroffenen Mitarbeiter hat es viel Mut erfordert, den Schritt zu gehen und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Natürlich ist auch jetzt das eigentliche Problem noch nicht aus der Welt. Dennoch geht es dem Betroffenen deutlich besser. Juristische Schritte, eine offizielle Beschwerde oder gar keine Kündigung waren nun – zumindest bislang – nicht notwendig.

Worauf auch Sie als Betroffener achten sollten, wie Sie sich in einer solchen Situation idealerweise verhalten und wie Führungskräfte Mobbing verhindern können erfahren Sie in Teil 2 dieser Serie.

 

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